Braunkohle in und um Groß Döbbern
Dipl. Ing. Ingolf Arnold, Cottbus
Während man bereits zu Ende des 19. Jahrhunderts in der Niederlausitz intensiv im Bereich der größeren Städte nach dem Brennstoff Braunkohle suchte, blieb die Gemarkung von Groß Döbbern noch eine Zeitlang davon verschont. Erst als im Ergebnis des I. Weltkrieges Deutschland seine bedeutenden Steinkohlenvorkommen in Oberschlesien an Polen abtreten musste und der Weg der Steinkohle vom Ruhrgebiet in die aufstrebende Niederlausitz mit ihren Textilfabriken für Massentransporte sehr beschwerlich war, begann ein wahrer „Run“ auf den Bodenschatz Braunkohle. Viele deutsche Firmen suchten nach dem Bodenschatz und so setzte man um 1919/1920 die ersten Bohrungen im Gebiet zwischen Cottbus und Spremberg an. Aus dem Jahr 1925 datiert die erste direkt in der Ortslage Groß Döbbern abgeteufte Suchbohrung. Man kann für die heute als Kohlenfelder Bagenz- West und Bagenz– Ost bezeichneten Lagerstätten drei Erkundungskampagnen ausmachen.
Kampagne 1: 1920-1940
Kampagne 2: 1950-1960
Kampagne 3: 1980 iger
Rund 400 Bohrungen wurden innerhalb von 70 Jahren abgeteuft und damit die Verbreitungsgrenzen der Braunkohle recht gut erkundet. Eine erste, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen/ Methoden verfasste Auswertung aller Bohrungen lag jedoch erst mit einer Diplomarbeit im Jahr 1980 vor. Diese zeigte, dass das als zuvor homogen angesehene Kohlenfeld Bagenz stark durch Einflüsse der Eiszeit überprägt wurde und durch flözleere linienförmige Korridore in 3 Feldesteile voneinander getrennt war. Fortan sprach man von den Feldern Auras, Bagenz- West und Bagenz- Ost. Auch stellte sich heraus, dass der flözreiche Bereich unter der Gemeinde Groß Oßnig durch eine flözleere Zone von Klein Döbbern getrennt war und dass im unmittelbaren Ortsbereich von Groß Döbbern gar keine Braunkohle lagerte und stattdessen unterhalb dieses Dorfes durch die tiefschürfende Wirkung der Eiszeiten alle Kohle rinnenähnlich wegtransportiert wurde. Diese heutigen Kenntnisse gehen auf die Diplomarbeit von 1980 zurück, angereichert mit weiteren geologischen Erkenntnissen zu den allgemeinen Lagerungsverhältnissen und einigen wenigen neuen Bohrungen (Grundwassermessstellen) nach dem Jahr 2000.
Abb.1: Braunkohleverbreitung, Ausschnitt entnommen aus „Die geologische Entwicklung der Lausitz“, Autorenkollektiv, Herausgeber Vattenfall Europe Mining AG, 2009
Nicht immer aber richteten sich der Energiehunger der DDR und die Tagebauplanungen nach konkreten geologischen Kenntnisständen, sondern nach der Forderung des maximalen Abbaus der Braunkohle. Braunkohle gehört zu den so genannten bergfreien Bodenschätzen, d.h. dass Braunkohle unter einem Grundstück nicht dem Grundstückseigentümer gehört, sondern a priori dem Staat. Anders z.B. bei Kies oder Torf, wo der Grundstückseigentümer per Gesetz auch Eigentümer dieser beiden Rohstoffe ist. In Zeiten der DDR war es üblich, durch Festsetzung von Bergbauschutzgebieten (BSG) die jeweilige Fläche prioritär für den Braunkohlenabbau zu sichern. Verbunden damit war auch die erhebliche Einschränkung von Baumaßnahmen in den so unter „Schutz“ gestellten Gebieten und der Staat konnte jederzeit zugreifen. Nach der politischen Wende 1989/90 kam mit dem 03. Oktober 1990 das Bundesberggesetz mit den Begrifflichkeiten „Baubeschränkungsgebiet“ und „Bergwerkseigentum“ zum Tragen. Nachfolgend soll auf Basis einiger Dokumente der Werdegang speziell zum Kohlenfeld Bagenz- West und der Gemeinde Groß Döbbern chronologisch dargestellt werden.
Wichtiges Dokument zu DDR- Zeiten waren die Bezirkstagsbeschlüsse über die Festsetzung von Bergbauschutzgebieten, vorbereitet durch das Büro für Territorialplanung bei der Bezirksplankommission Bezirk Cottbus.
Im Bezirkstagsbeschluss Nr. 18/72 vom 14. Juni 1972 finden wir unter der Rubrik „festgesetzte Bergbauschutzgebiete“ weder die Bezeichnungen Bagenz- West noch Bagenz – Ost. Erstmals tauchen beide Bezeichnungen im Bezirkstagsbeschluss Nr. 15/77 vom 5. Januar 1977 auf und dies, ohne jegliche räumliche Einschränkungen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren bereits 33 Bergbauschutzgebiete festgesetzt worden. Nun kamen weitere hinzu, denn 60 % der heimischen Braunkohle lagerten im Bezirk Cottbus. Für Bagenz- West wurde eine Fläche von 4926 ha ausgewiesen, davon 1600 ha Landwirtschaftliche Fläche, 2337 ha forstwirtschaftliche Fläche und 989 ha sonstiges, darunter auch die Ortschaften Groß Oßnig, Groß- und Klein Döbbern, Harnischdorf und andere. Im Bezirkstagsbeschluss Nr. 11/81 vom 01. Juli 1981- also genau vor 40 Jahren, wird das BSG Bagenz- West nochmals bestätigt. Ein weiterer und damit auch letzter Bezirkstagsbeschluss erging mit Nr. 13/86 am 24. September 1986. Hier gab es Änderungen zum Bergbauschutzgebiet Bagenz West. Manch einer wird sich erinnern an die Zeit zu Beginn der 1980 iger Jahre. Der militärisch ausgetragene Kalte Krieg zwischen dem Ostblock und der westlichen Allianz befand sich auf dem Höhepunkt. Mit Braunkohle unterlagerte Waldgebiete, in denen sich strategische Militäreinrichtungen des Ostblocks befanden, wurden für bergbauliche Belange zurückgestellt bzw. ganz ausgegrenzt. Ein Beispiel war Drachhausen mit dem dortigen großen Übungsplatz der Sowjetarmee. Liefen noch Anfang der 1980 iger Jahre Umsiedlungsgespräche, wurden diese im Jahr 1984 mit dem so genannten NATO- Doppelbeschluss- dieser beinhaltete die Stationierung von nuklearbestückten Mittelstreckenraketen in Mitteleuropa (Typ Sergeant und Honest John), abrupt abgebrochen. Nicht anders ist zu werten, dass in dem 1986 iger Beschluss auch einige Änderungen zum BSG Bagenz- West getroffen worden sind. Dies hatte zum einen militärische Gründe und zum anderen hatte man gemerkt, dass erstens, Umsiedlungen unpopulär waren und zum Widerstand gegen den Staat aufriefen und zweitens Umsiedlungen mit einem sehr hohen volkswirtschaftlichen Preis bezahlt werden mussten. Zur Kategorie „militärisch“ gehörte die Ausgrenzung der Flächen um Harnischdorf (Aufmarschgebiet der Sowjetarmee) sowie Groß Oßnig und das Gebiet östlich davon (Panzerübungsplatz für das Cottbuser Panzerregiment). Somit reduzierte sich die als Bergbauschutzgebiet ausgewiesene Fläche von 4926 um 43 auf 4883 ha. Des Weiteren beinhaltete der Beschluss von 1986, dass die in Randlage befindliche Ortslage Groß Döbbern zu erhalten sei. Im Vorratsbericht der Staatlichen Vorratskommission der DDR vom 01.01.1989 liest man dazu, dass das Kohlenfeld Bagenz- West über einen Vorrat von 304 Mio. t Braunkohle verfügt, wovon 282 Mio. t gewinnbar sind.
Abb. 2: Auszug aus Bezirkstagsbeschluss Nr. 13/86 vom 24. September 1986, Ausgrenzung von Feldsteilen aus dem BSG
Abb. 3: Auszug aus der Zeitstufenkarte zum Bezirkstagsbeschluss von 1986, das BSG wurde danach aufgeteilt in Nr. 86.1 und 86.2. Das Fehlen von Abbaupfeilen bedeutet, dass eine Inanspruchnahme erst nach 2030 bis 2050 vorgesehen war.
Die wirtschaftspolitische Wende 1989/90 kam und nachdem eine, noch von der DDR- Regierung (Modrow- Regierung) eingesetzte Spezialistenkommission, die Überprüfung der alten Tagebauplanungen abgeschlossen hatte, war es dann am 04. April 1991 endlich soweit. Der Provisorische Braunkohlenausschuss des Landes Brandenburg und das Oberbergamt des Landes Brandenburg gaben in einer amtlichen Bekanntmachung bekannt, dass u.a. das BGS Nr. 86- Bagenz- West mit sofortiger Wirkung aufgebhoben wird. Gleiches betraf im Übrigen auch das BSG Bagenz- Ost. Manch einer wird nun glauben, dass damit das Kapitel „Braunkohlenabbau in und um Groß Döbbern“ beendet sei. So ganz aber noch nicht, denn die Treuhand versuchte ja bekanntlich, das ehemalige DDR- Vermögen zu versilbern. Dazu gehörten auch die Braunkohlenlagerstätten sowie die Tagebaue und Kraftwerke. Im Vorgriff auf das ab 03. Oktober 1990 geltende bundesdeutsche Bergrecht hatte das zum 01. Juli 1990 gegründete Treuhandunternehmen LAUBAG bei der Regierung der DDR den Anspruch auf das Bergwerkseigentum am Kohlenfeld Bagenz (West und Ost) geltend gemacht. Dies wurde der LAUBAG dann auch verliehen.
Abb. 3: In grüner Farbe umrandet, beantragtes und bewilligtes Bergwerkseigentum an Braunkohle für das Kohlenfeld Bagenz mit rund 500 Mio. t Braunkohle
Ein westdeutsches Konsortium unter Federführung des Braunkohlenförderers Rheinbraun kaufte schließlich zum 01. Januar 1994 der Treuhand fünf laufende Tagebaue sowie mehrere so genannte Optionsfelder ab. Zu diesen Optionsfeldern gehörte auch das Bergwerkseigentum an Braunkohle für die Lagerstätte Bagenz. Um dies dem Laien verständlich zu machen. Dieses Konsortium hatte damit das Vorkaufsrecht für den Erwerb der rund 500 Mio. t Braunkohle, was jedoch nicht gleichbedeutend war, dass man sofort „losbaggern“ könnte. Hierzu wären dann nach bundesdeutschem Recht die entsprechenden öffentlich- rechtlichen Genehmigungsverfahren mit positivem Ausgang für den Bergbaubetreiber erforderlich gewesen und gleichzeitig auch der Abschluss privat- rechtlicher Verträge zum Erwerb von Grund und Boden.
Beruhigt können die Einwohner von Groß Döbbern heute in die Zukunft schauen. Einen Braunkohleabbau in und um Groß Döbbern wird es nach heutigen Maßstäben nicht mehr geben.
Damit geht ein Kapitel zu Ende, welches zumindest die Generationen in den 1960 iger bis 1980 iger Jahren immer wieder in Unruhe versetzt hat.